Nach und nach entsteht hier eine Rubrik, auf die ich mich schon unwahrscheinlich freue!
Es geht um folgendes: Man hat eine Kapsel, welche man grün geerntet hat und nun in ein Aussaatlabor schickt. Sie kommt dort an und was geschieht nun weiter mit ihr? Es gibt mit Sicherheit sehr viele Neugierige, die es interessiert und es ist wirklich sehr sehr spannend. Auch hat eine Kapselaussaat nichts im geringsten mit einer "bunte Blumenwiesenmischung" Tüte aus dem Gartencenter zu tun. Aufmachen, auf die Erde rieseln lassen, leicht eindrücken und dann gießen............
Bei Orchideenkapseln sieht eine Aussaat ganz anders aus und ich möchte Euch einfach mal auf die Reise einer Kapsel mitnehmen und daran teilhaben lassen.............
Ich freue mich sehr, daß mich Herr Frank Röllke ( Röllke Orchideen und Aussaatlabor) mit Bildmaterial tatkräftig unterstützt und wir somit einen genauen Einblick bekommen, was eigentlich mit unserer eingeschickten Kapsel weiter passiert..............der Werdegang vom Samen bis hin zur kleinen Pflanze, die wir im sterilen Becher zu 20 oder 25 Sämlingen wieder zurück bekommen um sie dann liebevoll auf zuziehen.
Zuerst einmal muß man den Aussaatauftrag ausdrucken und gewissenhaft ausfüllen. Läßt man eine Exklusivaussaat machen, muß oder bzw. sollte man die Elternpflanzen nicht angeben.
Wird die Kapsel gerade gelb, muß sie in ein Pergamenttütchen rein, welches sehr gut verschlossen werden muß. Die Kapsel kann sich während des Transportes öffnen und der Samen würde sich im Karton verteilen, wäre also unbrauchbar für die Aussaat.
Bei einer grünen Ernte reicht es, wenn die Kapsel gut gepolstert in Zewa eingewickelt wird.
Nachdem das Aussaatformular ausgefüllt wurde und die Kapsel(n) gut verpackt sind, kommt alles zusammen entweder in einen gut gepolsterten Umschlag oder in einen recht kleinen Karton. Da ich den Briefwalzen allerdings nicht über den Weg traue, bevorzuge ich die robustere Variante eines kleinen Kartons.
Bei Versand von mehr als einer Kapsel muß zwingend darauf geachtet werden, das jede Kapsel ihr eigenes Aussaatformular hat und mit diesem zusammen extra verpackt wird.
Eine Kapsel fing bei mir gerade an ihre hellgrüne Farbe in gelb umzuwandeln. Deshalb kam sie vorsorglich in eine Filtertüte. Bei gelben Kapseln allerdings sind Filtertüten nicht geeignet, da der wirklich winzig kleine Samen sich in die Filterporen festsetzen kann.
Ein Tütchen aus Pergamentpapier ist immer vorzuziehen (selbstgemacht aus Backpapier oder Butterbrottütchen)
Nun kommt die Kapsel in einen kleinen Behälter (Mitte), welcher mit einer Desinfektionslösung (Natriumhypochlorit-lösung) gefüllt ist.
Der Behälter wird verschraubt und ein paar mal vorsichtig geschüttelt.
Wird nicht unter sterilen Bedingungen gearbeitet, so kann die Aussaat verpilzen und alles war umsonst. Der Samen ist dann nicht mehr zu gebrauchen.
Nun ist der Becher vorerst fertig und kommt in ein Anzuchtregal mit optimalen Bedingungen wie Licht und die richtige Temperatur.
Glück ist jetzt auch gefordert, denn die Keimdauer beträgt 3-8 Monate, im Durchschnitt um die 6 Monate.
Wenn nach 9 Monaten immer noch keine Keimung erfolgte, wird der Versuch abgebrochen, da zu diesem Zeitpunkt eine Keimung nicht mehr erfolgt.
Ein Labor gibt seinem Auftraggeber in der Regel darüber Bescheid.
Und nach 6 Monaten vom Moment des Aussäens an erkennt man schon winzige Blätter und die ersten Wurzeln. Was teilweise aussieht wie ein Schimmelflaum an den Wurzeln sind einfach nur Wurzelhäärchen. Bald ist es Zeit für das erste "Umlegen". Das bedeutet, die heranwachsende Saat, genannt Protokorme, werden vereinzelt und mit Abstand in einen neuen Becher auf anderes Medium gelegt. Aus erstmals 2 Bechern werden dann ganz schnell ganz viele.
Insgesamt wird 2-3 mal umgelgt, sprich vereinzelt.
1.Vorstufe nach dem ersten Umlegen. Mit einer Pinzette werden die Protokorme ganz vorsichtig auseinander genommen und in neuen Bechern mit frischem Nährmedium gesetzt. Aus einem Becher werden dann immer mehr, da die heranwachsenden Sämlinge Platz und Licht brauchen, um sich zu entfalten.
Diese winzigen "Pflänzchen" dürften eine Größe von ca.0,3-0,5 cm haben.
Und hier ist der Raum, der dafür sorgt, daß die Kleinsten in ihren Bechern behütet und in Ruhe heran wachsen können. Es ist das Herzstück eines jeden Aussaatlabors: Der Kulturraum, der durchgehend klimatisiert/warm ist.
Um zu wachsen, braucht die Aussaat Licht, welche sie durch spezielle Röhren reichlich bekommen.
Auf wirklich jedem Töpfchen sind Aufkleber drauf, die anzeigen, um welche Aussaat es sich handelt, damit nichts durcheinander kommen kann.
Anfangs sind es noch tiefere Becher, doch wenn die Sämlinge eine gewisse Größe erreicht haben (beim letzten umlegen), kommen sie in hohe Becher, damit sie nicht an den Deckel stoßen.
Die Sämlinge stehen kurz davor, das letzte mal umgelegt zu werden und befinden sich dann in der Endstufe bzw. ihrem Endbecher, in dem sie noch ein kleines Weilchen bis zur pikierfähigen Größe heran wachsen. Nicht mehr lange und sie dürfen dann den Weg zu ihrem Züchter antreten (der sich schon tierisch freut, hihihihihi).
Die Kapsel wurde Ende August 2016 eingeschickt und ausgesäät.
Sämlinge direkt aus dem Becher
Die Sämlinge sitzen bisweilen etwas fest in ihren Bechern. Damit sie besser rausgehen, drücke ich vorsichtig den unteren Teil des Bechers im Uhrzeigersinn etwas ab. So löst sich der anhaftende Nährboden von der Becherinnenwand.
Nun beginnt eine etwas zeitaufwändige Prozedur, nämlich den Knäuel auseinander zufriemeln. Dafür braucht man viel innere Ruhe und Entspanntheit, denn mit "schnell schnell" zwischen Tür und Angel ist es nicht gemacht. Eher reißt man die sehr empfindlichen Wurzeln von den Sämlingen ab, was man ja tunlichst vermeiden will.
Das Entflaschen ist für die Sämlinge sehr stressig und man selbst möchte ja auch, daß sie so wenig wie möglich verletzt werden.
Viele legen die Sämlinge nach dem Entflaschen vorsorglich in ein Chinosol-bad. Ich habe es die Jahre nicht gemacht und meine Sämlinge gedeihen auch ohne diese vorsorgliche Prozedur tadellos.
Ein "Muss" ist es aber, wenn sich im Becher schon ein Schimmel/Pilzbefall ausgebreitet hat und evtl. Pflänzchen schon betroffen sind.
Sind die Sämlinge aber gesund und der Nährboden in Ordnung, sehe ich keinen Grund, sie so früh schon Chemie aus zusetzen.
Da habe ich nun den frisch entbecherten Sämling vor mir. Was bleibt dran, was kommt ab? Man sieht es an diesem kleinen Exemplar auf Anhieb, was weg kann. Wer etwas längere Fingernägel hat, kann die beige-gelbfarbenen Blättchen und die dunkelbraunen Würzelchen vorsichtig mit ihnen abknipsen.
Es geht aber auch mit vorsichtigem Abdrehen oder abzupfen.
Wurzeln von frisch entflaschten Sämlingen
Die sehr empfindlichen Wurzeln von frisch entflaschten Sämlingen sind praktisch noch nicht biegsam, eher brechen sie einfach ab.
So sehen Phalaenopsiswurzeln aus, die permanenter Nässe ausgesetzt sind.
Die obere Wurzel auf dem Foto ist intakt, die untere knipse ich ab, da sie glasig ist und nicht weiter wachsen wird. Die Gefahr, wenn man sie dran lässt ist sehr groß, daß sie anfängt zu schimmeln.
Alles, was nicht grün ist, wie gelbe Blättchen, glasige oder graue Wurzeln, wird abgemacht. Auch darf kein Nährboden mehr an der Pflanze sein, da dieser zu gerne in Kontakt mit der Luft zu schimmeln beginnt.
Frisch entflaschte Phalaenopsissämlinge auf Pinienrinde
Normalerweise nehme ich frisches lebendes Sphagnum als "Unterlage" für frisch entflaschte Sämlinge, nur leider habe ich momentan keins auf die Schnelle.
Recht feine Pinienrindenstücke machen es aber auch. Der Unterschied zu lebendem Sphagnum ist, daß man den Deckel bei Rinde auf keinen Fall fest verschließen sollte, da die Rinde recht schnell anfangen würde, zu schimmeln. Auch muß man alle paar Tage das Substrat besprühen, da eine hohe Luftfeuchtigkeit (neben Wärme und Licht) sehr wichtig ist.
Bei der Drainage mit lebendem Sphagnum reicht es, wenn man alle paar Wochen mal den Deckel aufmacht um zu schauen, ob es wieder befeuchtet werden muß.
Frisch entflaschte Sämlinge unter Kunstlicht
Und ab geht es direkt unter's Kunstlicht. Dort brauche ich auch keine Angst zu haben, wenn die Sonne mal stark scheint und sich die Box dadurch unendlich aufheizen würde, die Kleinen würden regelrecht gegart werden.
Wer kein Kunstlicht hat, kann seine Box auch auf das Fensterbrett stellen, aber keine Süd/Südwestseite! Optimal ist Ost, wo morgens früh nur ein paar Stunden die Sonne hinkommt.
In den Wintermonaten könnte es den Kleinen allerdings auf dem Fensterbrett zu kalt sein...Kälte von der Scheibe und vom Fensterbrett selbst können in die Box "eindringen". Die Sämlinge werden bei 16 Grad+ zwar nicht eingehen, aber komplett im Wachstum stagnieren.
Phalaenopsis Sämlinge
Auch wenn sie fast gleich groß aus der Flasche kommen, so macht sich im Laufe der Zeit doch der Unterschied in Sachen Größe, Aussehen und Schnelligkeit im Wachstum der Sämlinge stark bemerkbar.
Diese Sämlinge stammen aus derselben Kapsel und kamen aus einer Flasche.
Sie wachsen enorm unterschiedlich und mir fällt auf, je mehr gigantea Anteil der Sämling hat, desto langsamer wächst er.
Den Anteil macht man sehr gut am Blattwerk aus.
Auch was das erstblühen angeht, so trennen sie untereinander Welten. Während eine Pflanze schon fast soweit ist, wird es bei dem Kleinsten noch Jahre dauern.
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